Am Anfang wird alles positiv erlebt
Während die Gefahren unbegrenzter Computernutzung im Kindes- und Jugendalter derzeit noch wissenschaftlich erforscht werden, hat Sigrid Witt vom „Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung“ in Hamburg regelmäßig mit Eltern von Kindern zu tun, bei denen durch übermäßige Mediennutzung konkrete Probleme entstanden sind.
Sie beraten Eltern und Kinder, die zu viel Computer spielen oder fernsehen, können Sie bitte Beispiele nennen, wie es in diesen Fällen zu den Problemen gekommen ist?
Sigrid Witt꞉ Es handelt sich oft um Kinder, die vorher schon einen Gameboy hatten, damit auch schon exzessiv umgegangen sind. Kinder, die viel alleine sind, die sich mit der Kontaktaufnahme und Kommunikation schwerer tun als andere, auch – je nach Problemlage – unterschiedliche Spiele bevorzugen꞉ Aggressiv gehemmte Kinder spielen gerne Ballerspiele, um sich abzureagieren, sehr intelligente Jungen entwickeln Ehrgeiz bei Strategiespielen, Mädchen chatten gerne und dabei drohen in vielen Foren Gefahren.
Welche Folgen hat nach Ihrer Erfahrung zu häufige Bildschirmnutzung, welche Gefahren birgt sie?
Witt꞉ Anfänglich wird alles positiv erlebt꞉ Faszination, Wissensvermittlung, strategisches Denken, Erfolgserlebnisse durch Siege, Kooperation. Leider geht das exzessive Spielen über in Bewegungsmangel, gestörtes Essverhalten, veränderten Tag-Nacht-Rhythmus, Schlafarmut, mangelnde Konzentration, sinkende Schulleistungen und mangelnden Kontakt zu Familienangehörigen.
Was raten Sie zur Abhilfe?
Witt꞉ Sich für das interessieren, was die Kinder tun, gemeinsam spielen, die Faszination kennen lernen, die Welt der Kinder erleben, neue Wünsche, Träume, Fantasien der Kinder kennen zu lernen. Da sind auch unbeliebte Maßnahmen erforderlich꞉ sich mit den Risiken beschäftigen, sich für die Altersbegrenzungen der Spiele interessieren, sich mit Jugendmedienschutz befassen, Raubkopien als strafbare Handlung erkennen und verhindern.
Ab welchem Alter dürfen Kinder Ihrer Meinung nach überhaupt vor den Fernseher oder Computer?
Witt꞉ Jedes Kind ist anders, manche Kinder können durchaus schon im Vorschulalter verantwortungsbewusst und unter Aufsicht begrenzt am Computer sein. Dazu gibt es das sehr informative Buch꞉ „Kids und Computerspiele“ von Stefan Wink und Katharina Lindner, die selber Eltern sind.
Wie lange und wie oft dürfen die Kinder diese Medien benutzen?
Witt꞉ Jedes Kind, jeder Jugendliche kann ein anderes Zeitmaß vertragen. Solange Gesundheit, Freunde, Sport, Familienleben und Schulleistungen nicht leiden, werden Eltern schwer enge Grenzen aussprechen können. Aber da die Kinder heute auch schon in der Schule mit dem Computer arbeiten, sind in der Woche sicher zwei Stunden genug. Absprachen und Grenzen müssen sein!
Sie beklagen, dass kaum jemand vorbeugend zur Beratung kommt. Was würden Sie denn empfehlen, damit es überhaupt nicht erst zu größeren Problemen kommt?
Witt꞉ Nur, wenn die Eltern ihre Computer beruflich benutzen müssen, sollte ein Kind einen eigenen PC bekommen. Aber auch dann sollten PC und TV nicht im Kinderzimmer stehen, sondern in einem für alle zugänglichen Raum, weil dann exzessiver Konsum auffällt und zu den in der Kindheit und Pubertät dringend notwendigen Auseinandersetzungen um Grenzen führt. Wenn nur jeweils ein Gerät in der Familie steht, müssen Absprachen und Regelungen getroffen werden. Außerdem sollten die Eltern sich das Passwort vorbehalten.
Wie sind Ihre Ansicht und Erfahrung zu den Symptomen des exzessiven Spielens?
Witt꞉ Ich sehe und erlebe das süchtige Verhalten von Schülern und teile den Standpunkt.
Häufig wird heute für Lernspiele am Computer geworben, die ein spielerisches Lernen bereits ab dem vierten Lebensjahr ermöglichen sollen. Wie stehen Sie zu solchen Programmen?
Witt꞉ Diese Programme sind für Eltern häufig der Anlass, ihrem Kind einen Computer zu kaufen und ins Kinderzimmer zu stellen. Aber bei den Lernspielen bleiben die Kinder nicht, die werden schnell uninteressant und dann kommen andere Sachen.
Gibt es noch etwas, dass Sie zu diesem Thema gerne loswerden möchten?
Witt꞉ Das Verteufeln von Medien bringt nur Widerstand, denn Erwachsene, die ein Medium nicht kennen, werden keine Gesprächsbereitschaft finden. Außerdem sind die meisten Eltern schlechte Vorbilder, was den TV-Konsum angeht, der ja wesentlich passiver in seiner berieselnden Wirkung ist als ein PC-Spiel, bei dem es um das eigene Tun, Betätigen, Technik beherrschen, das Geschehen mitbestimmen und die selbsterworbenen Erfolgserlebnisse geht.
1. Kreuzen Sie bei den folgenden Aussagen an꞉ richtig – A, falsch – B, im Interview nicht vorgekommen – C.
Anfällig für sehr starke Computernutzung sind vor allem Kinder, die auch vorher zum Beispiel viel mit einem Gameboy gespielt haben.
Intelligente Jungen chatten besonders gern in verschiedenen Internetforen.
Zu häufige Computernutzung führt zu Problemen mit den Augen.
Um ihren Kindern zu helfen, sollten die Eltern sich selbst mit diesen Spielen beschäftigen, sie mit ihren Kindern ausprobieren.
Sigrid Witt meint, dass Kinder bis zu zwei Stunden täglich am Computer sitzen können.
Computer und Fernseher sollten nicht im Kinderzimmer stehen.
Kinder, die ab dem 4. Lebensjahr den Computer nutzen, zeigen später in der Schule sehr gute Leistungen.
2. Kreuzen Sie die Satzergänzung an, die dem Inhalt des Interviews entspricht!
Intensive Computernutzung ist bei Kindern zu beobachten, die…
später Informatik studieren wollen.
ihre Schulleistungen verbessern wollen.
viel alleine sind.
gerne kommunizieren.
Am Anfang bringen die Computerspiele…
Frust, weil die Regeln so schwierig sind.
Fortschritte in der Beherrschung der Computertechnik.
Abwechslung in der Freizeit der Kinder und Jugendlichen.
Erfolgserlebnisse durch Siege.
Kinder können den Computer benutzen, wenn…
sie in der Schule keine Probleme haben.
es unter der Aufsicht der Eltern ist, dann unter Umständen schon im Vorschulalter.
sie lesen und schreiben können.
sie 10 Jahre alt sind.
Jedes Kind, jeder Jugendliche…
kann ein anderes Zeitmaß bei der Computernutzung vertragen.
sollte nicht länger, als eine Stunde am Tag den Computer nutzen.
muss mindestens zwei Stunden in der Woche am Computer sitzen.
kann selbst einschätzen, wie lange es am Computer sitzen kann.
Wenn es nur einen Computer in der Familie gibt,…
kommt es oft zu Streit, wer ihn benutzen darf.
sollte man noch ein zweites Gerät für das Kinderzimmer anschaffen.
kann jeder ihn nur maximal eine Stunde am Tag benutzen.
müssen Absprachen und Regelungen getroffen werden.
Schüler können durch häufige Computernutzung…
neue Fertigkeiten entwickeln.
süchtig werden.
glücklicher sein.
ausgeglichen sein.
Eltern kaufen für ihre Kinder einen Computer, weil sie meinen, dass…
das alle Eltern tun.
die Kinder sich mit Lernspielen beschäftigen werden.
sie sich mit den neuen Medien beschäftigen sollen.
andere Spiele für die Kinder schon uninteressant sind.
Viele Eltern sind selbst schlechte Vorbilder mit…
ihrem ständigen Fernsehkonsum.
ihrer Computernutzung.
ihrer exzessiven Radionutzung.
ihrer Vorliebe für Computerspiele.