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048
Das einsame
Gespenst Willi
von
Martina Rumler
048
Das einsame Gespenst Willi
Martina Rumler
AUFFÜHRUNGSRECHT
(für Schulen und Laienspielgruppen)
Mit dem Kauf dieses Theaterstückes haben Sie das Recht erworben, das Theaterstück in Ihrer Schule aufzuführen. Das Recht ist zeitlich nicht begrenzt und beinhaltet beliebig viele Aufführungen.
Die UNDA-Theatermappe ist für Bühnen als Handschrift gedruckt. Vervielfältigungen dürfen nur für den eigenen Bedarf gemacht werden. Die Weitergabe der Texte an andere ist nicht gestattet.
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Inhalt
Willi, das Gespenst fühlt sich einsam. Alle Mitbewohner des Schlosses haben einen Partner, nur er nicht. Immer mehr zieht sich Willi zurück. Die im Schloss wohnenden Mäuse bringen die Nachricht, dass das Schloss verkauft werden soll. Alle sind entsetzt, denn sie ahnen, dass sie damit ihren Wohnsitz verlieren könnten. Nur Willi macht das nichts aus. Er erhofft sich Abwechslung. Drei Trolle machen sich erbötig, die neuen Besitzer zu vertreiben, doch Willi lehnt dies ab. Die Mäuse, die Katzen und die Ameisen lassen es sich nicht nehmen die neuen Bewohner zu ärgern. Zur Geisterstunde erwachen die beiden Kinder der neuen Schlossbesitzer und schließen Freundschaft mit allen. Eine Willkommensparty soll veranstaltet werden. Ein befreundetes Gespenst bringt seine Kusine Wilhelmine mit. Willi verliebt sich in sie und ist nun nicht mehr allein.
Personen
Willi, das Schlossgespenst
Kater und Katze
Maus und Mäuserich
mehrere Ameisen
Vater
Mutter
Tochter
Sohn
Wilhelmine, eine Gespensterdame
Fredi, ein Nachbargespenst
Uli, das Schulgespenst
(kann ohne Probleme gestrichen werden)
3 Trolle (oder Hexen)
2 Erzähler
Ort der Handlung
In und vor dem Schloss
Zwei Erzähler stehen (eventuell) vor einer Schattenwand und beginnen mit der Vorgeschichte. Hinter der Schattenwand geistern einige Gespenster von einer Seite zur anderen.
Erzähler 1:
Wir erzählen euch heute eine wahrhaft geistreiche Geschichte. Willi das Schlossgespenst, lebt seit vielen hundert Jahren auf Schloss Willistein. Er schläft dort jeden Tag mit dem Kopf nach unten und den Füßen nach oben in einem alten Kasten am Dachboden über dem Turmzimmer direkt unter der Turmuhr.
Erzähler 2:
Jede Nacht, wenn die alte Turmuhr zwölfmal schlägt, streckt sich unser Willi, gähnt und öffnet die Schranktüre. Er steigt aus dem Kasten und schwebt dann fast lautlos zum Waschtisch. Nach seinem allnächtlichen Blick in den Spiegel (Schreckensschrei) ordnet er seine vier Haare — zwei nach rechts und zwei nach links. Er putzt seine Zähne, schnäuzt sich und staubt sich zuletzt ein wenig ab (Teppichklopfer).
Erzähler 1:
Doch unser Willi hat ein großes Problem. Alle Mitbewohner seines Schlosses haben einen Herzenspartner gefunden, nur er nicht! Willi fühlt sich einsam.
Schattenwand hoch.
1. Szene
Willi im verstaubten Schlosszimmer. Er sitzt gelangweilt am Tisch. Der Kater sitzt auf dem Sessel und putzt sich. Im Garten betrachtet ein Mäusepärchen den Sternenhimmel.
Willi:
Bah, ist das langweilig! Eine Nacht wie die andere!
Kater schaut in den Garten hinaus.
Kater:
Was für eine wundervolle Vollmondnacht! Einfach herrlich!
Willi:
Ja, herrlich öd!
Kater:
Nicht die Nacht ist öd. Du bist öd! Selber schuld, wenn du immer hier im verstaubten Turmzimmer herummuffelst!
Die Katze kommt. Der Kater springt auf und überreicht der Katze einen Fisch.
Katze:
Ach, du bist ja so aufmerksam! Wie der duftet! Ich nehme deine Einladung zum Essen gerne an. Komm, setzen wir uns doch unter den Sternenhimmel in den Garten!
Kater und Katze ab in den Gartenteil. Willi äfft die beiden nach:
Willi:
Ach ja! Setzt euch doch unter den Sternenhimmel in den Garten!
Maus und Mäuserich kommen ins Schlosszimmer. Mäuserich mit Käse in den Pfoten.
Mäuserich:
Ach Adelheid!
Willi:
Na, der hat mir gerade noch gefehlt! Der verquargelt mir mit seinem Stinkkäse meine schöne muffelige Schlossluft!
Maus:
Ach, Adalbert!
Mäuse setzen sich in eine Ecke um Käse zu essen.
Willi:
Ja, macht es euch nur gemütlich! Verstinkt mir nur die Gegend mit Fischköpfen und Käserinden! Nur gut, dass ich hier ganz alleine bin! Hier würde es außer mir ohnehin niemand aushalten!
Ameisen marschieren auf.
Mäuserich:
Jetzt reg dich wieder ab, Willi! Nicht du, sondern wir haben Grund für schlechte Laune. Morgen sollen wieder Leute kommen und das Schloss besichtigen!
Die Trolle schleichen neugierig aus dem Wald zur Schlosstüre und lauschen.
Maus:
Und wenn es denen gefällt und sie kaufen es, sind wir die Ersten, die hier rausfliegen!
Kater:
Mit Sicherheit!
Katze:
Katzen sind zum Glück so beliebt, dass unsere Chancen, bleiben zu dürfen, doch vorhanden sind.
Willi:
Morgen kommt wieder jemand? Schade, dass ich tagsüber nicht munter bleiben kann!
Waldtroll:
Aber WIR können es! Hallo Willi! Wir haben zufällig euer Gespräch mit angehört! Der Wettertroll, der Windtroll und ich waren nämlich gerade im Garten. Also, ich kann dich beruhigen! Bis jetzt sind wir noch alle ungebetenen Gäste wieder losgeworden.
Windtroll:
Wozu bin ich ein Windtroll? Ich kann den Wind ein bisschen durch die geschlossenen Fenster pfeifen lassen!
Wettertroll:
Und wenn ich mich anstrenge und es so richtig regnen lasse, müssten die paar undichten Stellen im Dach hervorragend zur Geltung kommen!
Waldtroll:
Ja, genau! Außerdem könnte ich ...
Willi:
Halt! Stopp! Nein, nein! Hier ist es so langweilig, dass ich froh bin, wenn hier wieder jemand einzieht!
Windtroll:
Auch, wenn dieser Jemand ein Mensch ist?
Willi:
Auch dann!
Wettertroll:
Ja, bist du denn von allen guten Geistern verlassen?
Waldtroll:
Ich glaube, dem ist nicht mehr zu helfen!
Windtroll:
Gib uns Bescheid, wenn dir unsere Gesellschaft wieder passen sollte!
Waldtroll:
Mit einem geistlosen Geist will ich nicht länger zu tun haben!
Wettertroll:
Der Geist geht mir auf den Geist!
Willi:
Ja, ja! Trollt euch nur, ihr Trolle! Lasst mich nur allein! BAAAH!!
Schneidet den abziehenden Trollen eine wütende Grimasse. Kopfschütteln und Verwirrung bei Katzen und Mäusen.
Licht aus.
2. Szene
Die beiden Erzähler kommen wieder auf die Bühne. Im Schlosszimmer stehen Kisten und Koffer. Man merkt, dass jemand eingezogen ist.
Erzähler 1:
Unser Willi fühlt sich so einsam und unzufrieden, dass er gar nicht bemerkt, wie er sich durch Missmut und schlechte Laune noch viel einsamer macht.
Erzähler 2:
Was unser Willi noch nicht weiß, ist, dass für Ruhe und Einsamkeit in seinem Schloss bald kein Platz mehr sein wird.
Erzähler 1:
Egon Eitel, der Immobilienhändler, hat es nämlich tatsächlich geschafft, das alte Schloss an Familie Sommer zu verkaufen.
Erzähler ab. Herr und Frau Sommer kommen ins Schlosszimmer. Frau Sommer ist mit Einrichtungsarbeiten beschäftigt, Herr Sommer kontrolliert Rechnungen. Im Garten ist der Tisch für das Abendessen gedeckt. Katzen und Mäuse sitzen mit gehörigem Respektabstand einträchtig und artig neben dem Tisch.
Frau Sommer:
Na, Herbert, was sagst du? Ist es hier nicht unheimlich romantisch?
Herr Sommer:
Das weiß ich nicht, aber jedenfalls war es unheimlich teuer!
Frau Sommer:
Dieses Schloss hat bestimmt schon viel erlebt! Diese Mauern könnten uns sicher unglaubliche Geschichten erzählen!
Herr Sommer:
So sehen sie auch aus! Sie sind in einem unglaublich schlechten Zustand.
Tochter (stürzt aus dem Garten herein):
Iiiiii! Der Toni hat einen Regenwurm im Garten gefunden!
Sohn (mit Wurm in der Hand hereinkommend):
So was Hysterisches! Die sind doch nützlich und außerdem völlig harmlos!
Frau Sommer:
Ja, da hast du schon Recht! Aber ich will trotzdem nicht mit ihm unter einem Dach leben! Bring ihn bitte sofort wieder in den Garten hinaus!
Sohn murrend ab. Katzen stolzieren durchs Zimmer.
Tochter:
Jööö! Mutti, sind die aber lieb! Darf ich die behalten?
Herr Sommer:
Kommt nicht in Frage! Bevor ich mit zwei Katzen unter einem Dach lebe, hause ich schon lieber mit einem Regenwurm! Der haart nicht, kratzt nicht an meinem Teppich und liegt nicht immer auf dem Sessel, auf den ich mich gerade setzen will.
Katzen flüchten bestürzt in den Garten. Mutter tröstet die weinende Tochter. Die Maus saust ins Zimmer. Frau Sommer springt schreiend auf einen Sessel.
Frau Sommer:
Eine Maus! Hier gibt es Mäuse!
Mäuserich kommt nach. Tochter versteckt sich hinter dem Vater. Sohn kommt ohne Regenwurm wieder ins Zimmer.
Sohn:
Was ist denn hier los? Habt ihr ein Gespenst gesehen?
Tochter und Frau Sommer:
Viel schlimmer! Mäuse!
Frau Sommer:
Herbert, das halt ich nicht aus. Wir brauchen etwas, was die Mäuse aus dem Schloss fern hält!
Katzen kommen herein und jagen die Mäuse in den Garten.
Herr Sommer:
Na schön! Die Katzen dürfen bleiben! Solange ihnen die Haare geräuschlos ausfallen und sie weiteres Gebrüll wegen der Mäuse verhindern!
Tochter:
Danke, Papi! Du bist der beste Papi auf der Welt!
Herr Sommer:
Nein, der Lärmempfindlichste!
Frau Sommer:
Das Abendessen habe ich schon draußen hergerichtet! Ach, es gibt doch nichts Schöneres als Abendessen im Freien unterm Sternenhimmel!
Ameisen marschieren auf (Bewegungsabfolge von 4 Bewegungen je 3 Zähleinheiten zu Conquest of paradise — Vangelis) und transportieren das Essen ab. Währenddessen beobachtet die Familie mit schreckensweiten Augen das Geschehen im Garten.
Frau Sommer:
Eine Ameisenkompanie!
Tochter:
Sie tragen unser Abendessen fort!
Sohn (spöttisch):
Willst du die nicht auch behalten?
Herr Sommer:
Ich fürchte, die möchten uns behalten! Romantik hin, Sternenhimmel her! Elvira, ab morgen esse ich drinnen!
Mutter:
Lasst uns zu Bett gehen! (Zu den Kindern:) Vergesst das Zähneputzen nicht!
Die Kinder legen sich in das auf der Bühne stehende Bett. Vater und Mutter verlassen die Bühne. Turmuhr schlägt zwölfmal. Wasch- und Streckgeräusche von Willi (wie zu Beginn). Willi erscheint.
Willi:
Unglaublich! Sieht ja richtig bewohnt hier aus! Anscheinend hat mein Schloss einen neuen Untermieter!
Ameisen kommen vorsichtig in das Zimmer.
Ameise 1:
Die Luft ist rein! Das Picknick heute stammte eindeutig aus einer Küche, die noch mehr zu bieten hat.
Ameise 2:
Jawohl! Lasst uns die Küche stürmen!
Ameise 3:
Angriff!
Alle Ameisen:
Hallo, Willi!
Willi kratzt sich unsicher am Kopf. Die Ameisenkinder tanzen um Willi herum und bleiben dann vor den Betten der Kinder stehen.
Ameise 1:
Oh, schaut einmal!
Ameise 2:
Wartet! Das sind ja Menschenkinder!
Willi:
KINDER?!
Katzen und Mäuse kommen nun auch auf die Bühne und nicken gelangweilt.
Ameise 1:
Das ist ja großartig!
Ameise 2:
Niemand sonst macht so viele Krümel und Brösel wie Menschenkinder!
Alle Ameisen:
Wir lieben Kinder!
Willi:
Ihr denkt nur an Krümel und Brösel.
Mäuserich:
Aber Willi!
Maus:
Du nörgelst schon wieder an allem und jedem herum!
Willi:
Stimmt ja! Es ist bei allen Lebewesen das Gleiche. Die Kinder sind verspielt, voller Ideen, Fantasie und Beobachtungsgabe. Kaum sind sie erwachsen, sind sie griesgrämig und realistisch. Keine Fantasie, kein Übermut, nur langweilig! Bin ich froh, dass wir Gespenster nie ganz erwachsen werden!
Die Kinder erwachen. Ameisen verstecken sich.
Sohn:
Ich glaube, ich muss mich erst daran gewöhnen, in einem Schloss zu schlafen, ich seh schon Gespenster!
Tochter (reibt sich die Augen):
Ich träum auch gerade von einem!
Willi (geschmeichelt):
Reizende Kinder, finden mich traumhaft!
Sohn:
Moment, da stimmt doch etwas nicht! Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir beide ganz zufällig dasselbe träumen!
Willi (belustigt):
Nein, beim besten Willi nicht! Hi, hi!
Tochter:
Soll das heißen: ich sehe wirklich ein Gespenst?
Sohn:
Iiiiiii! Ein Gespenst!
Tochter (spöttisch):
Willst du mir nicht jetzt auch erklären, dass die sehr nützlich und völlig harmlos sind?
Herr Sommer und Frau Sommer kommen schlaftrunken mit Nachthemden bekleidet ins Zimmer. Sie sehen Willi nicht.
Herr Sommer:
Was ist denn hier los?
Frau Sommer:
Wisst ihr, wie spät es ist?
Tochter:
Mami, da ist ein Gespenst in unserem Zimmer! Es ist weiß und unheimlich und voller Spinnweben!
Willi (beleidigt):
Na he! Ich staube mich seit 215 Jahren jede Nacht einmal ab.
Frau Sommer:
Ist gut! Legt es mir zu den weißen Hemden eures Vaters neben die Waschmaschine! Ich wasch es morgen mit 95 Grad. Gute Nacht!
Herr Sommer (im Abgehen):
Ruhe jetzt! Es gibt keine Gespenster! Gute Nacht!
Frau Sommer:
Ja, gute Nacht.
Tochter (zu Willi):
Warum haben dich unsere Eltern nicht gesehen?
Willi:
Ach, die sind doch schon erwachsen! Da sehen sie eben nicht mehr alles! Aber sagt bitte: Was ist eine Waschmaschine?
Sohn:
Oje! Hast du keine Frau, die dir das erklären könnte?
Willi (gekränkt):
Das sagst du so einfach! Alle hier im Schloss haben eine Partnerin gefunden, nur ich nicht!
Unbemerkt ist inzwischen Geist Fredi von Schloss Fredistein erschienen und lehnt in der Tür.
Fredi:
Kein Wunder! Du kommst ja auch nicht aus deinem Schloss heraus. Du sitzt jede Nacht mit deinem Missmut da und badest in Selbstmitleid!
Ameise 1:
Vielleicht ... (hält sich die Nase zu)
Ameise 2:
... sollte er einmal in etwas anderem baden!
Willi stützt daraufhin entrüstet die Hände in die Hüften, dreht sich dann aber zu Fredi.
Willi:
Fredi, was machst du denn hier?
Sohn:
Seh ich schon doppelt?
Fredi:
Die drei Trolle besuchten mich vorhin auf Schloss Fredistein! Ich glaube, du hast sie beleidigt. Sie haben nicht sehr nett von dir gesprochen.
Willi:
Da habe ich mir anscheinend meine letzten Freunde vertrieben!
Fredi:
Noch nicht die letzten! Jetzt lass dir keine grauen Haare wachsen!
Willi (empört):
Na erlaube mal, ich bin ein Gespenst!
Fredi:
War doch nur ein Scherz! Aber jetzt ernsthaft: du musst etwas gegen deine schlechte Laune tun!
Sohn:
Entschuldigt, wenn wir eure Konferenz unterbrechen.
Tochter:
Aber wir wohnen jetzt auch hier ...
Willi:
Oh, Pardon! Ich habe ganz vergessen, mich bei euch vorzustellen. Ich bin Willi, euer Schlossgespenst, und das ist ...
Fredi:
... Fredi von Schloss Fredistein. Ich bin euer Nachbargespenst.
Sohn:
Fredistein? Wo liegt denn das?
Fredi:
Das ist ein kleines, unbekanntes Schloss 400 Kilometer von hier.
Tochter:
Ich dachte, du bist unser Nachbargespenst! Es muss doch näher gelegene Burgen und Schlösser geben!
Fredi:
Nähere schon, aber alle ohne Gespenster! Es gibt nicht mehr viele von unserer Art.
Tochter:
Schade! Ich finde euch eigentlich ganz nett! Wenn es nur noch so wenige Gespenster gibt, warum machen wir dann nicht eine Gespensterparty, damit wir einander alle kennen lernen?
Sohn:
Cool! Eine richtige Grusel-Kennlern-Party!
Willi (entzückt):
So etwas GEISTREICHES kann nur einem Kind einfallen! Das ist eine tolle Idee!
Fredi:
Das ist das richtige Mittel gegen deine Einsamkeit! Ich lade schnell alle Gespenster und Trolle ein. Kinder, ich bin von eurer Idee richtig begeistert! Hi, hi, habt ihr verstanden? Ich bin beGEISTert! Heute bin ich wieder GEISTreich!
Bis morgen 0 Uhr 30!
Fredi ab. Willi schaut plötzlich ganz erschrocken.
Tochter:
Willi, warum schaust du denn plötzlich so — so entGEISTert?
Willi:
Ich schau entGEISTert? Sehr GEISTreich!
Sohn:
Ja, meine Mutter würde sagen: Du siehst aus wie ein Gespenst!
Willi (ungeduldig):
Jetzt lasst eure GEISTlosen Scherze! Ich habe wirklich ein Problem! Ich weiß gar nicht, wie man eine Party veranstaltet!
Tochter:
Aber wir!
Sohn:
Und wir helfen dir!
Alle Ameisen:
Wir auch!
Tochter (erschrocken):
Nein, bloß das nicht!
Sohn:
Lass nur! Ihr könnt uns nach der Party helfen.
Ameise 1:
Fein! Versprochen!
Ameise 2:
Wir räumen so gründlich auf, dass kein Brösel mehr zu finden sein wird!
Mäuserich:
Gibt’s auch Käsebrötchen auf der Party?
Katze:
Ich bin für Thunfischsalat!
Tochter:
Iiiii! Sprechende Mäuse!
Sohn:
Mich wundert in diesem Schloss gar nichts mehr!
Die Turmuhr schlägt ein Uhr. Willi verschwindet.
Sohn:
Wo ist denn Willi so plötzlich hin? Wir sollten doch noch einiges besprechen!
Tochter:
Gespenstisch! Einfach verschwunden!
Maus:
Er ist ja ein Gespenst! Um ein Uhr endet doch die Geisterstunde und da muss Willi wieder in seinen Kasten. Sonst verschläft er die nächste Geisterstunde!
Kater:
Und das wird er doch gerade jetzt nicht riskieren!
Vom Bühnenhintergrund hört man die Eltern rufen.
Herr Sommer:
Das gibt’s doch gar nicht! Ist jetzt endlich Ruhe?
Frau Sommer:
Ich verstehe ja, dass ihr in der neuen Umgebung schlecht einschlafen könnt! Aber es ist ein Uhr vorbei! Jetzt muss Schluss sein!
Licht aus.

3. Szene
Abendessen im Wohnzimmer
Frau Sommer:
Ich versteh das nicht! Jetzt habe ich heute das ganze Schloss abgesucht und keine einzige Ameise gefunden. Trotzdem sieht es in der Küche aus, als wäre eine ganze Kompanie über sie hergefallen.
Herr Sommer (hänselt sie):
Gespenstisch!
Frau Sommer:
Hör auf, Herbert! Ein Gespenst hätte mir gerade noch gefehlt!
Herr Sommer (zu den Kindern):
Da fällt mir ein: Was war eigentlich gestern in der Nacht los bei euch?
Tochter (das Thema wechselnd):
Äh, nichts! Aber wenn wir gerade vom Schlafen sprechen. Mama! Darf ich schon zu Bett gehen?
Sohn:
Ich bin auch schon müde! Das macht sicher die frische Luft!
Herr Sommer:
Zuerst wird aber der Tisch abgeräumt!
Kinder:
Klar, das machen wir schnell!
Frau Sommer (zu Herrn Sommer):
Die Schlossromantik wirkt wahre Wunder! Sieh dir unsere Kinder an! Ist das nicht ein Grund zur Freude?
Kinder räumen fröhlich summend den Tisch ab.
Herr Sommer:
Von wegen Schlossromantik! Da stimmt doch etwas nicht! Den ganzen Tag kein Streit, sie helfen ohne zu murren und gehen freiwillig schlafen. Das ist Grund für echte Besorgnis!
Kinder:
Gute Nacht, Mama! Gute Nacht Papa!
Frau Sommer:
Es ist wirklich verdächtig! Schade, es war so angenehm!
Herr Sommer:
Vielleicht sind sie morgen wieder ganz normal.
Frau Sommer:
Ja, warten wir einfach ab.
Herr Sommer:
Und heute wird nicht so lange Krach gemacht wie gestern!
Kinder:
Gute Nacht!
Licht weg. Eltern ab. Wenn das Licht wieder angeht, sitzen die Kinder im Bett und die Trolle kommen.
Waldtroll:
Los, kommt! Wir helfen bei den Vorbereitungen!
Windtroll:
Ich finde es sehr nett von Willi, uns einzuladen!
Wettertroll:
Wie er auf so eine trolle Idee gekommen ist, möchte ich gerne wissen!
Kinder:
Das war unsere Idee!
Sohn:
Aber, wer seid denn ihr?
Tochter:
Irgendwie sehen sie wie Gäste für Willis Party aus.
Waldtroll:
Ah, ihr seid wohl die neuen Hausbewohner, von denen Fredi so begeistert war!
Wettertroll:
Können wir uns irgendwie nützlich machen und bei den Vorbereitungen helfen?
Windtroll:
Ich bin der Windtroll und backe die herrlichste Windbäckerei!
Tochter:
Sehr gut! Dann machst du die Windbäckerei.
Troll macht sich an die Arbeit und sucht alle notwendigen Sachen zusammen (Rührschüssel, Schneebesen, Kochlöffel, ...)
Sohn:
Gut! Ich kümmere mich mit dem Waldtroll um die Getränke!
Waldtroll:
Ja, ich bin Spezialist für frischen Beerensaft!
Katzen:
Wir machen Thunfischsalat!
Mäuse:
Und wir bereiten ein paar Käsebrötchen vor!
Wettertroll:
Na, dann decke ich eben den Tisch!
Die Uhr schlägt zwölfmal. Gähnen, Strecken, Knarren, Schreckensschrei, eigenartiges Blubbern und Surren, alle horchen auf.
Ameisen:
Was ist das?!
Kater:
Das sind doch nicht Willis Waschgeräusche!
Willi kommt recht zerstört und „ungebügelt”, aber ohne Spinnweben ins Schlosszimmer getorkelt.
Maus (erschrocken):
Willi, was ist denn mit dir passiert?!
Willi:
Puh! Ich hab‘s geschafft! Aber der Schleudergang von eurer Waschmaschine hat’s ganz schön in sich! Der ist nur was für schwindelfreie Gespenster!
Tochter:
Willi, du hast dich doch nicht etwa in die Waschmaschine ...?
Willi:
Ihr scheint ständig zu vergessen, dass ich ein Gespenst bin! Schließlich wollte ich mich besonders hübsch machen, ich bin ja so aufgeregt! Darf ich euch helfen?
Tochter:
Ist gut, du könntest inzwischen die Kaffeebohnen mahlen!
Willi:
Au ja! Ich darf helfen! Ich darf Kaffeebohnen malen! Ich bin ja so aufgeregt!
Nimmt sich einen Zettel und einen Stift und kritzelt etwas darauf, zeigt es dann stolz dem Mädchen.
Willi:
Fertig!
Tochter:
Was ist denn das?
Willi:
Ich habe Kaffeebohnen gemalt! Erkennt man das nicht?
Tochter:
Doch nicht malen! Mahlen hättest du sie sollen!
Willi (zum Windtroll):
Was kann ich dir helfen?
Windtroll:
Du könntest inzwischen den Schnee schlagen!
Willi:
Bin schon unterwegs!
Verschwindet in den Garten, kommt aber ganz deprimiert zurück.
Willi:
Geht nicht!
Windtroll:
Warum denn nicht?
Willi:
Draußen liegt ja gar kein Schnee! Wie soll ich ihn dann schlagen?
Waldtroll:
Der Beerensaft ist fertig! Ihr könnt die Trinkhalme verteilen!
Wettertroll (Servietten faltend):
Das kann Willi machen!
Willi:
Klar! Ich will doch helfen! Helf! Helf!
Verteilt dabei Trinkhalme auf der Bühne und an das Publikum.
Wettertroll:
Willi, was machst du denn?
Willi (beleidigt):
Na, Trinkhalme verteilen, das siehst du doch!
Fredi erscheint mit Uli, dem Schulgespenst und Wilhelmine, einer entzückenden Gespensterdame.
Fredi:
Hallo! Ich habe euch liebe Gäste mitgebracht. Das ist Uli! Er ist ein Schulgespenst!
Sohn:
Ein Schulgespenst? Jetzt weiß ich, wer ständig meine Stifte und mein Lineal verschwinden lässt!
Uli:
Das war nicht ich! Schulgespenster gibt es im Unterschied zu Schlossgespenstern noch viele. Beinahe jede Schule hat ihr eigenes Gespenst. Wir sind dazu da, Aufgaben, Arbeitsblätter und Schulsachen verschwinden zu lassen. Ja sogar den Lehrern verstecken wir so manches.
Sohn:
Ich mag Schulgespenster!
Willi:
Ich auch!
Ameisen:
Ich auch!
Fredi:
Ich habe euch noch jemanden mitgebracht! Darf ich vorstellen? Das ist Wilhelmine, meine Kusine!
Wilhelmine begrüßt alle. Als sie zu Willi kommt wird sie sichtlich nervös.
Wilhelmine:
Oh, du musst Willi sein!
Willi (zerstreut, sichtlich verlegen und auf den ersten Blick verliebt):
O ja, ich muss der Willi sein. Aber das macht nichts! Ich bin es schon gewohnt. Ich bin schon seit 215 Jahren der Willi. Ich muss zwar der Willi sein, aber ich wüsst ohnehin nicht, wer ich sonst sein sollte! Was rede ich da eigentlich für Unsinn?
Wilhelmine (auch sichtlich von Willi angetan):
Wie du schön sprechen kannst.
Willi (total verwirrt):
Ja, schön sprechen und so.
Maus:
Ich glaube, unser Willi hat sich verliebt!
Fredi:
Was ist denn das für eine müde Party ohne Musik?
Allgemeiner Tanz. Ein bekannter Hit wird gespielt. Katzen tanzen miteinander. Ebenso die Mäuse und die Ameisen. Willi tanzt mit Wilhelmine. Die Erzähler kommen auf die Bühne.
Erzähler 1:
So hat Willis Einsamkeit endgültig ein Ende gefunden!
Erzähler 2:
Und wir können aus diesem Happyend auch etwas lernen: Man muss sich selbst mögen und Ziele haben um sein Glück zu finden.
Erzähler 1:
Aber auch die Familie Sommer war zufrieden. Die Mäuse versteckten sich bei Tag, die Ameisen mieden die Wohnräume. Willi und seine Wilhelmine wurden glücklich und kamen die nächsten 152 Jahre nicht aus dem Kasten heraus.
ENDE

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